Ein Blick hinter die Kulissen: Die CFS-Weiterbildung im BMW Werk Dingolfing


Im Hintergrund per Videoschaltung dabei, die BMW-Ingenieure Matthias Müller und Christoph Hartung.

Mitte September besuchten die Mitglieder der Vereinigung Carrosserie-Fachlehrer-Schweiz CFS und drei Gäste das BMW-Werk in Dingolfing im Rahmen einer Weiterbildung. Dabei erhielten sie detaillierte Informationen über die aktuellen Werkstoff- und Umformtechniken im Automobilbau.

Vor dem Werksbesuch hatten die Fachlehrer um CFS-Präsident Adriano Lanfranchi (im Gruppenbild vordere Reihe, 2 v.l.) die Gelegenheit, im Museum Dingolfing die 140- jährige geschichtliche Entwicklung von BMW zu erkunden – angefangen von der Sämaschine über landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge bis hin zum legendären Goggomobil und schliesslich zum elektrifizierten High-Tech-Fahrzeug von heute.

Die Meister der Materialien

Christoph Hartung vom Bereich Werkstoffsimulation und Matthias Müller, Bereich Umformtechnik und Entwicklung, präsentierten die Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen eingesetzten Stahlsorten. Der aktuelle Materialmix in den Fahrzeugen stellt nicht nur die Reparateure, sondern auch die Hersteller vor Herausforderungen.

Dank der Finite-Elemente-Methode erkennt Christoph Hartung kritische Verformungszonen und mögliche Toleranzunterschreitungen bereits, bevor ein Teil im Werk hergestellt wird. Dank seiner Spezialisierung und Erfahrung weiss er, wo die Schwachstellen liegen, und welche Stahllegierungen benötigt werden, um die Karosseriebauteile optimal zu gestalten.

Der für Carrosseriebleche verwendete Stahl wird aufgrund seiner Qualität, Zugfestigkeit und seiner Fähigkeit, äusserer Kraft und Druck standzuhalten, ausgewählt. Matthias Müller erklärte anschliessend, wie die Vorstellungen des Werkstoffspezialisten in die Praxis im Werk umgesetzt werden. Diese ist bei BMW unvorstellbar vielfältig, präzise und perfekt organisiert. M. Müller findet mithilfe der vorhandenen Pressen den optimalen Weg zur Herstellung der Carrosseriebauteile.

Carrosserie-Presswerk

Die anschliessende Werksführung mit dem Schwerpunkt Presswerk wurde von L. Dobmeier geleitet, der seit 45 Jahren bei BMW Dingolfing tätig ist und kompetent die Fragen der Teilnehmer beantworten konnte. Im Werksgelände gilt ein Foto- und Videoverbot, aber die Eindrücke sind unvergesslich. Besonders beeindruckend war eine 11'300 Tonnen schwere (entspricht dem Gesamtgewicht des Eiffelturms) Sechsfach-Presse, die mit 17 Hüben pro Minute zahlreiche Carrosserieteile verarbeitet.

Vollautomatisch ziehen, biegen und stanzen die Pressen die Platinen in mehreren Arbeitsschritten, um die gewünschte Form zu erhalten – sei es für Dächer, Motorhauben, Seitenrahmen oder eines der zahllosen Kleinteile der Karosserie. Um PremiumQualität sicherzustellen, sind umfangreiche Qualitätsprüfungen in allen Fertigungsabläufen integriert. Eine Pressform für ein Bauteil kostet über 2,5 Millionen Euro, und es stehen über 70 verschiedene Formen im Lager zur Verfügung, die abwechselnd in die Monsterpresse eingesetzt werden. Trotz eines Betonfundaments von 12 Metern war bei jedem Hub ein leichtes Beben spürbar.

Hydroforming und PHS

Zusätzlich beeindruckend waren zwei weitere Herstellungsverfahren. Beim Innenhochdruckumformen (IHU, engl. Hydroforming) wurden Verstärkungsrohre für den Heckdeckel der X-Serie im geschlossenen Formwerkzeug mittels Innendruck (4000 bar Flüssigkeitsdruck) gefertigt.

Dann folgte die spektakuläre Verarbeitung von verzinkten warmumformbaren Stählen (PHS) für crashrelevante Carrosserieteile. Die Platinen wurden dabei auf ca. 900 °C erhitzt, gefolgt von einer kontaktlosen Vorkühlung mit Luft auf unter 550 °C zur Vermeidung von Mikrorissen. Bei der nachfolgenden Umformung wurden die Platinen in die Endgeometrie gebracht und gehärtet.

Presshärtende Stähle bieten vier wesentliche Vorteile: Sie können zu sehr komplexen Formen umgeformt werden, ihre Zugfestigkeit erreicht Werte von bis zu 2.000 MPa, es gibt nur eine geringe oder gar keine Rückfederung, und durch gezieltes Anlassen können "harte Bereiche" und "weiche Bereiche" in einem einzelnen Teil kombiniert werden, um ein vielseitiges Crash-Verhalten zu erreichen. Nach 4,5 Stunden und 8 km Fussmarsch auf dem BMW-Gelände endete die CFS-Weiterbildung.

Das BMW Group Werk Dingolfing ist das grösste Fahrzeugwerk der BMW Group in Europa. Im Jahr 2022 rollten rund 282’000 BMW-Automobile von den Montagebändern. Die Produktpalette umfasst Modelle der 4er-, 5er-, 6er-, 7er- und 8er- Reihe sowie den vollelektrischen BMW iX. Der Anteil rein batterieelektrischer Fahrzeuge wird voraussichtlich im laufenden Jahr auf über 40 Prozent steigen.

Text: Ramon Märki

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